Die Schweiz führt im internationalen Innovationsvergleich – warum bleibt die Ostschweiz zurück? Und wo gibt es Potenzial für eine Aufholjagd?
Rigo Tietz: Es ist zwar richtig, dass die Schweiz bei verschiedenen Studien und Rankings zum Thema Innovation weltweit führend ist. Hierbei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Innovationskraft von Regionen anhand von Indikatoren wie z.B. der Anzahl der Patentanmeldungen oder der Höhe der Forschungs- und Entwicklungsaufwände gemessen wird. Im regionalen Vergleich schneiden daher Regionen mit einer hohen Dichte an Grossunternehmen in forschungsintensiven Bereichen wie z.B. der Pharmabranche besonders gut ab. Die Ostschweiz mit Branchenschwerpunkten in Industrie und Gewerbe landet hingegen eher auf den hinteren Plätzen. Aufholpotenziale bestehen bei vielen Unternehmen sicherlich in den Bereichen Automatisierung und Digitalisierung.
Wo sollten kleine und mittlere Unternehmen ansetzen, um den Anschluss nicht zu verlieren?
Innovation ist eine strategische Aufgabe. Gleichzeitig ranken um das Thema Innovation so einige Vorstellungen und Mythen. Vielfach ist zu hören: «Wir haben keine Zeit», «wir haben keine grossen Ideen» oder «das ist nichts für uns». Aus meiner Sicht ist es wichtig, bestehende Hürden und Berührungsängste zu überwinden. Am besten gelingt dies, wenn konkrete Innovationsvorhaben angepackt und umgesetzt werden.
Muss Innovation immer etwas grundlegend Neues bedeuten, oder kann sie auch anders verstanden werden?
Viele glauben tatsächlich, dass Innovation immer etwas ganz Neues ist. Diese Vorstellung entsteht, weil bahnbrechende Innovationen wie damals die Waschmaschine oder das Smartphone viel Aufmerksamkeit erhalten. Kleinere, inkrementelle Innovationen werden oft übersehen, tragen aber ebenso zum langfristigen Unternehmenserfolg bei.
In welchen Bereichen – Produkt, Prozess oder Geschäftsmodell – sehen Sie die grössten Chancen für Innovation?
Das kann man nicht so stark vereinfachen. In einer frühen Phase des Branchenlebenszyklus liegt der Fokus mehr auf Produktinnovationen, da verschiedene Konzepte um den Markterfolg konkurrieren. In der Wachstumsphase geht es dann darum, skalieren zu können, so dass sich der Fokus mehr auf Prozessinnovationen verschiebt. Die Begriffe Geschäftsmodell und Geschäftsmodellinnovationen konnten sich seit Ende der 1990er Jahre als neue Konzepte etablieren, wobei die klare Abgrenzung zu Produkt- und Prozessinnovationen oftmals nicht möglich ist.
Das Kompetenzzentrum Strategisches Management der OST unterstützt Unternehmen in diesen Fragen. Gibt es konkrete Ansätze oder Methoden, um die Innovationskultur und Kreativität in KMU gezielt zu fördern?
Innovation ist anspruchsvoll. Es gibt unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten, um sowohl die Innovationskultur in Unternehmen als auch einzelne Innovationsvorhaben zu fördern. Ein Beispiel ist das Innovationsnetzwerk Ostschweiz INOS, das kleine und mittlere Unternehmen dabei hilft, Innovationshürden zu überwinden. Unser Kompetenzzentrum ist im Kanton St.Gallen sowie im Appenzellerland die erste Anlaufstelle und begleitet Unternehmen von der Bedürfnisanalyse bis zur Projektumsetzung.
Veranstaltungshinweis
«Innovation und Innovationsförderung für KMU» So lautet der Titel des Fachvortrags von Prof. Dr. Rigo Tietz. Der Vortrag findet im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Gewerbe@OST» am Dienstag, 18. Februar 2025, um 17 Uhr statt. Die Anschliessende Diskussion wird von Dr. Karl Neumüller vom Kompetenzzentrum Strategisches Management, moderiert. Anmeldung per E-Mail an: sekretariat@gsgv.ch
Gewerbe@OST
«Gewerbe@OST» ist eine gemeinsame Veranstaltung des Kompetenzzentrums Wissenstransfer & Innovation (WTT) der OST und des städtischen Gewerbeverbands. Sie findet zweimal jährlich statt. Hier erhalten Sie – kompakt in 90 Minuten – Einblick in aktuelle Wirtschaftsthemen.